Die Suche nach einem Platz: Bürokratie im Dschungel
Apps, Abos und fehlende Infos
Eine Reise mit dem Wohnmobil – oder wie andere sagen: «Expeditionsmobil» – kann manchmal zu einer Herausforderung werden. Campingplätze, wie man es von Europa kennt, gibt es sowieso kaum. So ist man ständig auf der Suche nach einem möglichen Platz, zum Beispiel über die App «iOverlander».
Diese App wird von den Reisenden selber unterhalten, und jeder, der so unterwegs ist, sollte seine Erfahrungen in die Kommentare hineinschreiben. Dies kann jedoch nur gut funktionieren, wenn möglichst viele ihre Erfahrungen teilen. Leider geht auch bei uns in der «Hitze des Gefechts» sehr oft der Gedanke verloren, sich doch in den Kommentaren zu verewigen. Die meisten schreiben ihre Erlebnisse in der App «Polarsteps» oder ähnlichem nieder und vergessen dann, diese Erfahrungen auch in die App iOverlander zu übertragen.
Einen weiteren Wermutstropfen gibt es zusätzlich, und das ist der Preis dieser App. Was vor einem Jahr noch kostenlos war (mit ein paar Einschränkungen), kostet heute über 50 Euro. Für die Ausführung der App, in der alles freigeschaltet ist, muss man sage und schreibe über 90 Euro hinblättern. Das Absurde daran: Die App wird ausschliesslich von denen aktuell gehalten, die wirklich unterwegs sind. Demzufolge sollen diejenigen, die bezahlen, auch noch die Informationen liefern. Aber in der Welt der Geldmacher muss es wohl so sein, dass andere arbeiten und den Gewinn daraus streichen andere ein.
Lösungen würde es sicher geben: Wenn jeder, der einen Eintrag macht, auch dafür belohnt würde – zum Beispiel mit Punkten, um diese bei einem neuen Abonnement anrechnen zu lassen –, wäre der Anreiz da, die Erfahrungen niederzuschreiben. Heute hört man unter den Reisenden sehr oft die Aussage: „Ich bezahle doch nicht, um dann noch für die App zu arbeiten.“ So gehen viele wichtige Informationen verloren.
Die Ankunft in Oupoyo
Und so kommt es halt dazu, dass man auch Plätze ansteuert, die schon zwei Jahre lang keinen Kommentar mehr erhalten haben. So steht in der App-Beschreibung:
«Die Pfarrkirche Notre Dame de la Paix d'Oupoyo ist eine große katholische Kirche mit weitläufigem Gelände und einem imposanten Eingangstor gegenüber der Shell-Tankstelle. Wir durften dort übernachten. Da wir recht groß waren, zelteten wir in der Nähe der Straße […], wurden aber eingeladen, etwas weiter entfernt in der Nähe der Kirchenunterkünfte zu zelten […]. Obwohl die Kirche von einer Mauer umgeben ist, wird das Tor nicht geschlossen, sodass Leute kommen und gehen. Wir fühlten uns aber dennoch sicher.»
Eigentlich alles gut, und wir glaubten, dass dies für uns wohl der richtige Platz sei. Nun, wir fuhren auf einer eigentlich recht guten Strasse Richtung Süden und waren gegen 14:00 Uhr bei diesem eingetragenen Platz angekommen. Alles war so wie beschrieben.
Alfred, der Vikar und die Kinder
Nun ging es an die Suche nach dem Pastor, um zu fragen, ob wir hier übernachten dürften. Sofort waren sicher 50 Kinder um mich herum; sie wollten meine Hand nehmen und an meinen Haaren am Arm zupfen – das kennen wir schon zur Genüge. Für mich ist dies heute schon eine nette Geste der Kinder und ich mache gerne dieses Spiel mit. Ihre Haut an den Armen ist ja nicht so wie bei uns mit einem "Fell" bedeckt.
So kam ich an eine Baustelle und danach zur angegliederten Schule, um den Pastor zu finden. Die Information war, dass der Pastor im Dorf etwas erledigen müsse, aber sicher bald wiederkommen werde. Also ging ich zurück zu den Fahrzeugen, begleitet von der ganzen Kinderschar, die lachte und uns bestaunte.
Dann kam ein schmächtiger Herr zu uns. Ich glaubte zunächst, dies sei der Pastor. Aber er kam mir durch seine Handlungen eher vor wie ein Clown und nicht wie ein Geistlicher. Sein Name war Alfred. Er erzählte, dass er in Belgien war, und somit glaubte ich dann doch, dass dies der Pastor sei. Ich plauderte mit ihm, wir machten Spass, so wie das üblich in Afrika ist, und fragte dann ganz schüchtern, ob wir hier übernachten könnten.
„Sicher können wir das“, sagte er, wir sollen uns da beim Baum hinstellen.
Erleichtert, dass der Nachtplatz gefunden war, fingen wir an, Tisch und Stühle aufzustellen, um ein wenig zu entspannen. Natürlich waren die Kinder um uns herum und machten einen grossen Lärm mit ihren improvisierten Spielen und Neckereien. Unsere Hunde waren eine grosse Attraktion und jeder wollte mit der Leine und Adia spazieren gehen.
Die Intervention
Plötzlich stand da ein Mann wie aus dem Nichts und beschwerte sich über den Lärm. Er war ganz überrascht, was hier vor sich ging. Dann erzählte „ Alfred “ (den ich für den Pastor hielt), dass wir hier übernachten wollten. Das passte dem neuen Mann gar nicht – vielleicht, weil wir ihn nicht gefragt hatten. Er fragte, ob wir bei der Präfektur überhaupt nachgefragt hätten. Diese hätte dies zu bestimmen, weil das Land ja der Gemeinde gehöre. Und wenn was passiert, so seien diese ja auch verantwortlich.
Er war sehr unzufrieden damit, dass wir „einfach so hier eindringen“ könnten. Ich versuchte zu beruhigen: Wir hätten ja gefragt, und wir könnten ja auch wieder gehen, weil wir keine Probleme machen wollten. Ich entschuldigte mich und erklärte, dass unser Vorgehen nichts Schlechtes darstellen solle, sondern dass wir der Meinung waren, es sei in Ordnung, hier bei der Kirche zu übernachten – insbesondere, weil wir ja den Vikar und den anderen gefragt hatten. Er liess sich aber nicht besänftigen und wollte unbedingt, dass wir bei der Präfektur nachfragen gehen. Eigentlich stimmte ich diesem Vorgehen nur widerwillig zu, weil ich lieber weitergefahren wäre, um einen anderen Platz zu suchen.
Der bürokratische Albtraum
Leider liess ich mich vom Vikar und Alfred überreden, zur Präfektur zu gehen. Mit dem Auto ging es auf einer sehr holprigen Piste etwa 3 km an das andere Ende des Dorfes.
Beim Eingang sass einer, der mir als Chef vorgestellt wurde. Wir wechselten ein paar Worte und erzählten ihm unser Anliegen. Nach kurzem Nachdenken entschied er, dass er das gar nicht entscheiden könne, sondern sein Chef, der in einem Büro drinnen sass. So gingen wir zu diesem und mussten mit gehöriger Distanz Platz nehmen. Er hörte uns an, überlegte und entschied dann, dass auch er nicht entscheiden könne, sondern dass dies sein Chef entscheiden müsse.
Um das Bild abzurunden: Das Büro hatte zwei Tische, Stapel von Papieren (teilweise zu Bündeln gefasst), keinen PC, aber einen Fotokopierer. Plötzlich kam ein Mann hinein, der Papier suchte, um wohl seinen Kopierer damit zu füttern. Leider war auch bei dem Kopierer im Büro das Papier ausgegangen. So mussten sie Papiere suchen, auf denen auf der Rückseite nichts stand, um drei Blätter zu finden, die als Kopierpapier herhalten mussten. Ich kann nicht sagen, warum ausgerechnet diese Papiere unwichtig genug waren, um sie als Schmierzettel zu gebrauchen. Vielleicht waren ja alle Papiere unwichtig und standen nur zur Zierde im Büro, um den Anschein zu wecken, dass hier gearbeitet wird.
So verging die Zeit. Plötzlich war der Beamte, der mit uns gesprochen hatte, der Meinung, dass auch er seinen Chef fragen müsse. Die Telefonnummer vom "Chef seines Oberchefs" wurde herausgesucht. Das Telefongespräch lief einseitig. Unser Gesprächspartner war im Ton sehr unterwürfig, sagte meistens nichts, sondern hörte zu. Er bekam den Befehl, doch bei der zuständigen Dame anzurufen, die wohl für die ganze Region zuständig war. Bis jetzt konnte oder wollte die Frage noch niemand abschliessend beantworten.
Nun wurde die Nummer der Dame gesucht. Nach etlicher Zeit hatten sie die Nummer gefunden und der Chef ging aus dem Büro, damit wir nicht zuhören konnten. Wir mussten warten. Es kam wohl die Sekretärin rein und setzte sich an denselben Schreibtisch, um den Stempel in Aktion zu setzen. Sie nahm nun Stapel um Stapel (aus denen vorhin noch drei Blätter zum Kopieren entfernt wurden), um jeweils die oberste Seite eines Bündels von ca. 15 Blättern abzustempeln und einen neuen Stapel zu machen.
Das Ergebnis
So verging die Zeit. Nach etwa 10 Minuten kam der Chef wieder rein und sagte uns, wir sollten in den nächsten grösseren Ort fahren, um dort ein Hotel zu nehmen. Bei der Kirche dürften wir nicht übernachten, weil niemand die Verantwortung übernehmen wolle, wenn uns was passieren würde.
Eigentlich war ich froh, endlich dem Albtraum und der Inkompetenz, die ich so noch nie gesehen hatte, zu entfliehen. So ging es zurück zur Kirche, um unsere Sachen wieder einzuräumen und weiterzufahren.
Das „Schöne“ war dann, dass Alfred am Schluss noch Geschenke wollte, weil er uns ja „versucht hat zu helfen“. Welche Funktion er eigentlich innehatte, weiss ich heute noch nicht. Wahrscheinlich weiss er es selber nicht, sondern ist einfach auf dem Gelände angestellt, um als Aufpasser zu fungieren. Auf jeden Fall haben ihn die Kinder respektiert.
Zum Schluss fanden wir noch einen Platz im Dschungel, der als Kakaoplantage genutzt wurde. Kein Mensch war dort zu sehen, ausser einem Motorradfahrer, der am Abend wohl von der Plantage nach Hause fuhr.