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Liberia – ein Land voller Schönheit, Schmerz und einem Gefühl, das man nicht vergisst

Liberia ist ein Land, das einen sofort berührt, lange bevor man überhaupt versteht, warum. Schon der Gedanke an seine Entstehungsgeschichte macht es besonders: Es wurde gegründet, um befreiten Sklaven aus den USA eine neue Heimat zu geben. Menschen, die nie wirklich in Afrika gelebt hatten, kamen zurück auf einen Kontinent, von dem ihnen ihre Vorfahren nur noch Geschichten hinterlassen hatten. Sie brachten ihre Kultur mit, ihre Sprache, ihre Traditionen, ihre Gesetze – und so ist Liberia bis heute ein seltsam vertrauter Ort für jeden, der schon einmal in den USA war. Amerikanische Straßenschilder, Ortsnamen, alte Villen im Südstaatenstil und zwei Währungen – der liberianische Dollar und der US-Dollar – erzählen die Geschichte dieser Rückkehrer, die zugleich Heimkehrer und Fremde waren.

Doch hinter dieser besonderen Geschichte verbirgt sich ein Land, das mehr gelitten hat als viele andere. Zwei brutale Bürgerkriege haben Liberia erschüttert, Kriege, die mit einer Härte geführt wurden, die man sich kaum vorstellen kann, wenn man heute durch die grünen Wälder fährt oder am Strand in den Sonnenuntergang blickt. Rund 270’000 Menschen verloren ihr Leben – bei nur drei Millionen Einwohnern. Ganze Landstriche wurden ausgelöscht, Kinder zu Soldaten gemacht, Familien auseinandergerissen. Und als wäre das nicht genug gewesen, traf später die Ebola-Epidemie das Land erneut ins Herz. Weitere 10’000 Tote, unzählige Traumata, ganze Dörfer, die niemand mehr betrat. All diese Spuren sind unsichtbar und doch überall – in den Gesichtern, in der Stimmung, in den Momenten, die man unterwegs erlebt.

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Wir spürten diese Schwere besonders an einem Tag, der so harmlos begann. Wir waren auf der Suche nach einem ruhigen Platz zum Übernachten und fuhren eine kleine Piste hinein in den Urwald. Der Dschungel wurde dichter, das Licht dunkler, die Geräusche lauter. Nach einigen Kilometern öffnete sich der Wald und wir standen plötzlich vor einem kleinen Dorf. Es war wie ein Bild aus einem anderen Jahrhundert: Lehmhütten, Feuerstellen, spielende Kinder, Hühner, die über den Platz liefen. Die Menschen sahen uns und kamen sofort auf uns zu – offen, freundlich, neugierig, so wie wir es überall in Afrika erlebt hatten. Sie sagten uns, wir seien willkommen, wir könnten bleiben. Ihre Gastfreundschaft war ehrlich, ihre Worte warm. Und doch – etwas fühlte sich anders an. Etwas war seltsam, kaum greifbar.

Die Jugendlichen kamen näher, wollten mit uns sprechen, stellten Fragen, die sie nach wenigen Minuten wiederholten, als hätten sie sie gerade erst zum ersten Mal gehört. Ihre Augen wirkten leer, irgendwo weit weg. Ihre Bewegungen waren langsam, schwerfällig, als würden sie sich durch unsichtbaren Sand bewegen. Die Stimmung war nicht feindlich, nicht gefährlich – aber sie war eigenartig, bedrückend, fast fremd in ihrer Langsamkeit. Und dann die Spielautomaten mitten im Dorf, betrieben mit Solarpanels, ein völlig surrealer Anblick im Herzen des Urwalds, wo es keinen Strom, kaum Infrastruktur und nicht einmal fließendes Wasser gibt.

Wir standen dort, redeten mit den Menschen, lächelten, aber tief in uns spürten wir ein Unwohlsein, das wuchs, je länger wir blieben. Es war nicht Angst. Es war nicht Misstrauen. Es war eine innere Stimme, die sagte: „Hier stimmt etwas nicht.“ Also fuhren wir weiter, suchten einen anderen Platz, aber dieses Dorf fuhr im Kopf mit. Die Blicke, die Sprache, die Atmosphäre – all das ließ mich nicht los. Ich wollte verstehen, warum die Menschen so wirkten, warum ihr Wesen so anders war als in anderen Ländern, die wir durchquert hatten.

Erst später, nach etwas Recherche, fand ich eine Erklärung, die mich traurig machte, weil sie so gut passte: Kush. Eine synthetische Droge, billig, zerstörerisch, überall verfügbar. Ein Joint kostet 10–20 Liberian Dollars – ein paar Cent. Weniger als ein Ei, weniger als ein Stück Brot. Kush betäubt nicht nur den Körper; es betäubt den Geist. Es macht langsam, stumpf, vergesslich. Es nimmt Menschen das, was sie lebendig macht – den inneren Funken. In vielen Dörfern bestimmt Kush das Leben der Jugendlichen. Es ist billige Flucht, täglicher Rausch, Moment des Vergessens in einer Welt, die so viele schmerzhafte Erinnerungen trägt.

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Vielleicht standen wir dort zwischen jungen Männern, deren Väter als Kindersoldaten zwangsrekrutiert wurden. Männern, die Dinge gesehen haben, die sie bis heute verfolgen. Männern, die selbst niemals heilen konnten und deren Kinder nun in einer neuen, chemischen Betäubung stecken. Vielleicht war es genau diese Mischung aus Krieg, Armut, Trauma, Perspektivlosigkeit und Kush, die dieses Dorf so seltsam wirken ließ.

Wir fuhren weiter und fanden einen anderen Platz. Später erreichten wir die Elfenbeinküste, und plötzlich war es wieder da – das afrikanische Lachen, die Leichtigkeit, die Lebensfreude, die wir so lieben. Es war, als würde man wieder tief durchatmen können. Und doch blieb Liberia in uns zurück, dieses Dorf, diese Blicke, dieses Gefühl.

Liberia ist schön – wunderschön sogar. Aber es ist ein schönes Land mit einem gebrochenen Herzen. Und wenn man bereit ist, hinzuschauen, dann spürt man die Schönheit und den Schmerz gleichzeitig. Und vielleicht ist es genau das, was dieses Land unvergesslich macht.

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